FACHTAGUNG ABBRUCH 2024

Herausfordernde Zeiten für Abbruchunternehmen

Johannes Schlenter, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Abbruchverbands, sprach mit ABZ-Chefredakteur Kai-Werner Fajga über die aktuelle Marktsituation im Abbruchgewerbe, Perspektiven für dort aktive Unternehmen und die Highlights der bevorstehenden Jahrestagung des Verbands.
Abbruchtechnik
Johannes Schlenter ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Abbruchverbands. Foto: Deutscher Abbruchverband

ABZ: Herr Schlenter, wie hat sich der Verband in den letzten zwei Jahren entwickelt?

Schlenter: Recht erfreulich. Wir haben 2022 und 2023 neue Mitglieder hinzugewinnen können, sodass wir zurzeit insgesamt 838 Mitgliedsbetriebe zählen. Eine erfreuliche Tendenz, denn wenn man sich die sonstige Verbandslandschaft anschaut, sind Zuwächse wohl eher nicht so der Fall. Und wir legen nach wie vor Wert auf Qualität und längst nicht jeder Antragsteller erfüllt unsere Aufnahmekriterien. Wir freuen uns natürlich über den Zulauf und auch darüber, dass bei den neuen Mitgliedern Unternehmen dabei sind, die zum Teil schon sehr lange existieren und am Markt präsent sind.

ABZ: Wie beurteilen Sie die Situation der Abbruchbranche derzeit?

Schlenter: Momentan – und das erleben wir auch im eigenen Unternehmen – stellt sich noch alles positiv dar. Alle arbeiten Altaufträge ab oder bieten Projekte, die – wenn vielleicht auch ein wenig zeitlich verzögert – nun umgesetzt werden können. Einige Bauherren haben sich sicher auch aufgrund der allgemeinen Preisentwicklungen hier und da etwas zurückgehalten, realisieren nun aber doch ihre Bauvorhaben. Überall, wo Investoren nun doch Projekte umsetzen, sind alle noch relativ gut ausgelastet – zurzeit.

ABZ: Zurzeit? Über welchen Zeitraum betrachten Sie das?

Schlenter: Nun ja, ein größeres Abbruchunternehmen, das beispielsweise den Großauftrag eines Kraftwerkabbruchs umsetzt, kann über mehrere Jahre hinweg mit der Abarbeitung dieses Auftrags beschäftigt sein. Einen ganz anderen Vorlauf haben aber kleinere oder mittelständische Betriebe. Die planen maximal mit einem Vorlauf von rund sechs Monaten. Und das ist auch schon fast als luxuriös zu bezeichnen. Aber so stellt sich die Situation dar, wie wir sie momentan überblicken können. Was wir aber durchaus feststellen ist, was die Nachfrage angeht, dass der Ausblick relativ ruhig und düster ausfällt.

ABZ: Also werden wie in anderen Bereichen der Branche auch noch Auftragsüberhänge abgearbeitet?

Schlenter: Ja schon, allerdings gibt es im Bereich der Baumaschinenhersteller die ersten Sonderaktionen. Im letzten halben Jahr haben wir erlebt, dass dort auch Produktionskapazitäten frei geworden sind. Und dass Unternehmen in der aktuellen Marktsituation schon überlegen, ob sie in neue Maschinen investieren oder vielleicht die eine oder andere Maschine ein oder zwei Jahre länger betreiben. Was in der aktuellen Situation im Wohnungsbau passiert, wird natürlich auch die Abbruchbranche treffen. Nur in welcher Form, das wird entscheidend sein. Deswegen sind unsere Mitgliedsunternehmen, was neue Investitionen angeht, aktuell eher zurückhaltend.

ABZ: Sie haben es eben schon angedeutet: Die Wohnungsbaubranche durchlebt derzeit die größte Krise seit langer Zeit. Seit mehr als einem Jahr werden monatlich negative Trendentwicklungen veröffentlicht. Wie schätzen Sie die Perspektiven für Ihre Mitgliedsbetriebe ein?

Schlenter: Prinzipiell ist neues Bauland – ob in der Stadt oder auf der grünen Wiese – knapp geworden. Auch innerstädtische Abbruchmaßnahmen, die große Wohnungsprojekte mit sich ziehen, liegen teilweise auf Eis. Es ist kein Geheimnis, dass große Investoren von Wohnungsbauprojekten Probleme mit den Kostenentwicklungen haben. Die sind mitunter so schwerwiegend, dass manche schon Insolvenz anmelden mussten. Wenn große Projekte verschoben werden, hat das natürlich auch direkten Einfluss auf unsere Branche. Besonders in Innenstädten läuft im Moment gar nichts. Und da müssen sich unsere Mitgliedsunternehmen überlegen, wie sie damit umgehen. Beispielsweise auch, ob sie neue, ertragreichere Tätigkeitsfelder für sich erschließen können. Nun können nicht alle Bauunternehmen Brücken oder Hochhäuser abreißen. Das ist ein Spezialgeschäft und das kann auch nicht jeder. Das Paradoxe ist, dass beispielsweise beim Thema Infrastruktur, eigentlich der Eindruck vorherrscht, dass da Geld für Projekte da ist, da sie auch von der öffentlichen Hand finanziert werden. Da wurden Riesensummen für Bauprojekte freigegeben und die werden nun hoffentlich auch verbaut. Da muss nun jeder Abbruchunternehmer versuchen, das Projekt zu finden, das sich für ihn auch auszahlt – auch wenn es möglicherweise nicht so profitabel ausfällt, wie das in der Vergangenheit der Fall war.

ABZ: Viele Unternehmen klagen über das Ausmaß an Bürokratie in Deutschland. Im August 2023 trat die Ersatzbaustoffverordnung in Kraft. Wie beurteilen Sie die Umsetzung der Verordnung?

Schlenter: Die Verordnung hat lange Zeit gebraucht, bis sie in Kraft getreten ist. Wir haben auf Verbandsebene daran mitgewirkt und unsere Meinung kundgetan. Ich habe den Eindruck, dass wir beim Thema Bauschuttrecycling - was ja auch die Ersatzbaustoffverordnung betrifft, jetzt eine Situation vorfinden, die durch eine insgesamt höhere Qualität gekennzeichnet ist. Das heißt, wir haben eine ganz andere Anforderung an die gewonnenen Recyclingprodukte. Und das führt eben dazu, dass die Qualität gesteigert werden konnte. Natürlich erfordert das einen viel höheren Aufwand im Vorfeld – aber genau der hatte die Konsequenz, dass manche Hinterhof-Recycler nicht mehr in der Lage waren, die entsprechenden Nachweise zu erbringen. Und in Folge auch, dass viele Betriebe dieses Recyclinggeschäft nicht mehr betreiben. Auf der anderen Seite sehe ich die Ersatzbaustoffverordnung schon als eine große Vereinfachung, weil beispielsweise beim Einbau von RC-Schotter nicht immer zwingend eine wasserrechtliche Einbauerlaubnis vonnöten ist. Kurzum, ich habe den Eindruck, dass durch die Ersatzbaustoffverordnung mehr Recyclingmaterial eingebaut wird. Was sicherlich auch daran liegt, dass das Thema Nachhaltigkeit aktuell einen ganz anderen Stellenwert erhalten hat.

ABZ: Gibt es beim Umgang mit der Ersatzbaustoffverordnung Dinge, die Sie dennoch gern an die politische Ebene adressieren wollen?

Schlenter: Der hohe Qualitätsstandard, wie ich ihn eben geschildert habe, gilt auch für Baustellen. Aber Bauschutt und Materialien, die vor Ort auf der Baustelle gewonnen und wiederverwendet werden könnten, unterliegen denselben Kriterien. Das heißt, wir dürfen das Material nicht gleich wieder nutzen, sondern müssen zuvor genau diese Nachweise erbringen. Das erfordert sehr hohe Kapazitäten, die in der Branche nicht vorhanden sind. Das Prozedere ist einfach deutlich zu zeitaufwändig – teilweise vergehen drei, vier Monate, bis die Unternehmen endlich den Nachweis haben, und sie streng genommen erst dann das Material wieder vor Ort einbauen dürfen. Bei kleineren Projekten haben wir es erlebt, dass der Bauschutt komplett abgefahren wird und güteüberwachtes Material neu an die Baustelle geliefert wird, damit nicht so viel Zeit verstreicht.

Das ist natürlich genau das, was wir mit der Ersatzbaustoffverordnung nicht erreichen wollten. Das heißt, da muss nachreguliert werden. Wir brauchen eine Sonderregelung für Baustellen, in welcher Form auch immer. Sonst laufen wir Gefahr, dass ständig Bauschuttmaterial aufwendig über Straßen transportiert wird und erst einmal in stationären Anlagen eingelagert wird, anstatt direkt wiederverwendet zu werden. Das ist aber derzeit nicht anders möglich und sicherlich nicht das, was der Gesetzgeber erreichen wollte.

ABZ: Wie haben die Mitgliedsbetriebe des Deutschen Abbruchverbandes auf die neuen Herausforderungen der Ersatzbaustoffverordnung reagiert?

Schlenter: Ganz gut eigentlich. Aber ich habe den Eindruck, dass allgemein in der ganzen Branche, vor allem auf Auftraggeberseite, noch relativ viel Verwirrung im Markt vorherrscht. Etwa wenn es darum geht, als Unternehmen bestimmte Bodenqualitäten festzulegen. Es gibt eben Deponien, die sind nach der Deponieverordnung genehmigt und Deponien oder Lager, die nach älteren Vorschriften (LAGA) genehmigt wurden. Jetzt haben wir die Ersatzbaustoffverordnung und derjenige, der ausschreibt, muss natürlich sagen, dass die Ersatzbaustoffverordnung das neue Maß aller Dinge ist. Viele Deponien können deshalb keine Böden gemäß der Ersatzbaustoffverordnung annehmen. Wir brauchen eine passende Analytik je nach Deponieverordnung oder LAGA. Momentan existieren drei Regelwerke nebeneinander. Neue Deponien, die jetzt irgendwann mal genehmigt werden, werden sicherlich nach der Ersatzbaustoffverordnung genehmigt werden können – andere aber nicht. Diese Verwirrung muss für alle Beteiligten aufgelöst werden. Wir haben da wirklich von der Auftraggeberseite und öffentlichen Stellen oft den Eindruck, dass die Linke nicht weiß, was die Rechte tut. Und das führt dann oft zu Problemen, die wir gar nicht lösen können. Es kann ebenso dazu kommen, dass wir Projekte gar nicht anbieten können, weil der Ersatzbaustoff nicht zur Verfügung steht oder aktuell keine Verwertungsmöglichkeit angeboten werden kann.

ABZ: Der Deutsche Abbruchverband hat sich zu seiner FACHTAGUNG ABBRUCH das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Aus welchem Grund?

Schlenter: Nachhaltigkeit ist für unsere Branche sehr wichtig, das Thema spielt eine große Rolle. Deswegen haben wir dahingehend auch eine eigene Kampagne gestartet. Wir wollen uns da ganz bewusst ein bisschen mehr in Szene setzen, eben weil unsere Mitgliedsbetriebe schon einen sehr, sehr hohen Verwertungsstatus haben. Wir arbeiten mit hochwertigen Abbruchtechnologien und Baustoffe und Abfälle werden hochwertig verwertet. Schon heute haben wir eine Verwertungsquote von über 90 Prozent erreicht und das ist schon eine ganze Menge. Das sollen andere Industrien erst mal schaffen. Genau deshalb wollen wir das Thema beim Deutschen Abbruchverband in den Vordergrund stellen, auch, um Diskussionen vermeiden zu können.

Bestimmten politischen Gruppierungen zufolge sollen ja bestenfalls alle Gebäude stehenbleiben und hinsichtlich der CO2-Vermeidung gar kein Abbruch mehr stattfinden. Dagegen müssen wir uns auch ein stückweit wehren und deshalb thematisieren wir Nachhaltigkeit durchgehend auf der diesjährigen FACHTAGUNG ABBRUCH.

ABZ: Was sind denn die Highlights der diesjährigen FACHTAGUNG ABBRUCH?

Schlenter: Einerseits bieten wir auch in diesem Jahr viele Fachvorträge aus allen Bereichen an. Das Thema Nachhaltigkeit wird natürlich überall im Vordergrund stehen, was neu ist. Am Freitag findet eine Podiumsdiskussion, in der Wissenschaftler, Fachunternehmen und Experten über das Thema diskutieren, statt. Etwa die Frage, wohin sich die Branche künftig entwickeln wird und auch die Frage, wie wir das, was wir aktuell machen, noch verbessern können, werden Thema sein. Bei der Fachtagung wollen wir bewusst den Kreislauf von der Planung über das Bauvorhaben selbst bis hin zur bestmöglichen Bewertung und dem Recycling darstellen und diskutieren. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen können sich schon auf interessante Podiumsgäste freuen. Und ich bin mir sicher, dass jeder nach der Veranstaltung für sich etwas Wichtiges mitnehmen kann – und sei es nur der Blick in die Zukunft.

ABZ: Ist das Thema Fachkräftemangel noch virulent bei Ihren Mitgliedsunternehmen?

Schlenter: Das ist nach wie vor so und seit vielen Jahren schon der Fall. Seit drei oder vier Jahren haben wir uns im Vorstand dem Thema angenommen und versuchen gegenzusteuern. Wir müssen unsere Branche einfach interessanter machen, vor allem für die jungen Leute. Darum haben wir auch schon verschiedene Kampagnen gestartet, zum Beispiel Werbefilmsequenzen und Podcasts. Unsere Branche wird dort in allen Bereichen dargestellt. Ich hoffe sehr, dass wir auch junge Leute damit erreichen und begeistern können. Das Thema haben wir ganz, ganz oben bei uns auf der Agenda. Zudem haben wir auch seit einigen Jahren einen Juniorenkreis, in dem überwiegend junge Unternehmer eingebunden sind. Die haben einen anderen Umgang mit digitalen Medien. Wir haben den Kreis in unseren Ausschuss für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eingebunden, damit wir da ganz nah an den jungen Leuten dran sind. Aber man muss da auch, glaube ich, als Unternehmen neue Wege gehen und die Tür weit öffnen. Da spielen wir als Verband mit unserer Außendarstellung eine große Rolle. Um für junge Leute attraktiver zu sein, nutzen wir die neuen Medien. Unser Podcast-Format "HELM AUF" kommt beispielsweise einmal pro Monat und wir zeigen dort Baustellenberichte, stellen unsere Geschäftsstelle vor oder sprechen mit interessanten Menschen, die in dieser Branche arbeiten.

ABZ: Herr Schlenter, Sie sind nun seit eineinhalb Jahren Vorstandsvorsitzender des Deutschen Abbruchverbandes. Was waren bisher die größten Herausforderungen für Sie?

Schlenter: Da würde ich gern Herausforderungen durch Aufgabe ersetzen. Der Auftrag von mir und meinen Vorstandskollegen ist es, optimalen Service für unsere Mitglieder zu bieten. Wir haben es eben angesprochen: Es gibt viele neue Themen für die Branche, und die wollen wir bearbeiten. Wir wollen mit der Geschäftsstelle und mit unseren Fachausschüssen schnell und effizient Lösungen erarbeiten, um für die Branche Informationen schnellstmöglich bereitzustellen und vor allem auch dafür zu sorgen, dass die Mitgliedsunternehmen entsprechende Schulungen angeboten bekommen. An dieser Stelle sind wir die letzten zwei, drei Jahre auch sehr, sehr weit gekommen. Wir haben mittlerweile ein breites Schulungsspektrum für Mitgliedsbetriebe.

ABZ: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Schlenter: Also, ich wünsche mir, dass wir weiter so ein tolles Team in der Geschäftsstelle haben werden, denn unsere Vorstandsmitglieder und alle Fachausschussmitglieder arbeiten ehrenamtlich. Ich persönlich möchte den Verband natürlich auch weiter nach vorn bringen und weiterentwickeln. Aber wenn alles so weiterlaufen würde wie jetzt, wäre ich schon sehr, sehr zufrieden für die Zukunft. Die Arbeit macht Spaß und so soll es auch bleiben.

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